Bundesgericht mit harter Linie bei der Landesverweisung von Sexualstraftätern

by | May 14, 2025 | Strafrecht

Das Bundesgericht fährt eine harte Linie bei der Landesverweisung von Sexualstraftätern (Urteil des Bundesgerichts 6B_793/2024 vom 2. April 2025)

Die zwei unteren Instanzen (Bezirksgericht Winterthur und Obergericht Zürich) verzichteten auf einen Landesverweis. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich zog den Entscheid ans Bundesgericht weiter. Das Bundesgericht befand, dass eine Landesverweisung ausgesprochen werden muss.

Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte am 4. Mai 2023 einen 35-jährigen Serben wegen sexueller Nötigung, versuchter Vergewaltigung, mehrfacher Beschimpfung zum Nachteil seiner getrenntlebenden Ehefrau und Nichtabgabe von Ausweisen und/oder Kontrollschildern zu 24 Monaten Freiheitsstrafe und 30 Tagesssätzen Geldstrafe, beides bedingt.

Das Obergericht bejahte einen schweren persönlichen Härtefall und gewichtete die privaten Interessen des Beschwerdegegners an einem Verbleib in der Schweiz höher als die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung. Der Beschwerdegegner sei mit 8 Jahren mit seinen Eltern und seinem Bruder in die Schweiz gekommen. Er habe seine ganze Ausbildung in der Schweiz absolviert und mit der Bauführerschule abgeschlossen. Seit dem Jahre 2007 arbeitete er bei seinem aktuellen Arbeitgeber als Bauführer. Der Beschwerdegegner habe einen 2014 geborenen Sohn, zu dem er seit der Trennung von seiner Ehefrau 2021 keinen Kontakt mehr habe und zwei Töchter aus der aktuellen Beziehung, geboren 2021 und 2024. Seine Mutter und sein Bruder lebten in der Schweiz, entfernte Verwandte in Serbien. Die lange Aufenthaltsdauer in der Schweiz inklusive des damit verbundenen teilweisen Aufwachsens und des Besuchs der meisten Schulen spreche für einen Härtefall. Zur möglichen Reintegration des Beschwerdegegners in seiner Heimat Serbien erwägt das Obergericht, er verfüge auch dort über eine gewisse Verwurzelung und familiäre Bindungen, sei mit deren Kultur bestens vertraut und könne die Sprache sprechen, lesen und teilweise schreiben. Persönlich stelle eine Reintegration für den Beschwerdegegner daher kein relevantes Problem dar. Aufgrund seiner grossen beruflichen Erfahrung wäre es ihm zudem zweifellos auch in der Heimat möglich, wirtschaftlich Fuss zu fassen und zumindest ein Auskommen für sich selbst, seine Partnerin und die gemeinsamen Töchter zu finden. Die Partnerin, die Schweizerin sei, habe ebenfalls serbische Wurzeln und verkehre teilweise im serbischen Kulturkreis. Zusammenfasend bejahte das Obergericht den schweren persönlichen Härtefall knapp.

Das Obergericht ging von einer sehr geringen Rückfallgefahr bzw. Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aus. Abgesehen vom einzelnen Vorfall mit der getrenntlebenden Ehefrau habe der Beschwerdegegner während 25 Jahren Aufenthalt in der Schweiz keine Delikte (mit Ausnahme eines Strassenverkehrsdelikts) verübt. Seine jetzige Partnerin habe nur das Schweizer Bürgerrecht und sei in der Schweiz aufgewachsen. Eine Verlegung des Wohnorts nach Serbien würde für die Partnerin eine erhebliche Härte darstellen. Die Interessenabwägung falle daher knapp zugunsten des Beschwerdegegners aus.

Das Bundesgericht verneinte das Vorliegen eines schweren persönlichen Härtefalles und kam zum Schluss, dass die Interessenabwägung nicht zugunsten des Beschwerdegegners ausfalle.

In der Person des Beschwerdegegners liege kein Härtefall vor, da eine Reintegration in Serbien sowohl beruflich als auch persönlich zumutbar sei. Das gelte auch für die jetzige Partnerin, ihre Mutter stamme aus Serbien, sie spreche die dortige Sprache und reise mehrmals jährlich dorthin. Es sei anzunehmen, dass die Partnerin angesichts ihrer eigenen serbischen Wurzeln und der mehrjährigen Beziehung mit dem Beschwerdegegner mit der Kultur der gemeinsamen Heimat vertraut sei. Daran ändere nichts, dass sie nicht über die serbische Staatsbürgerschaft verfüge. Den gemeinsamen, 2021 und 2024 geborenen Töchtern sei ein Leben in Serbien ohne Weiteres zumutbar. Zu seinem Sohn aus erster Ehe habe der Beschwerdegegner seit 2021 keinen Kontakt mehr.

Die Interessenabwägung falle nicht zugunsten des Beschwerdegegners aus. Er habe zwei Katalogtaten begangen und sei mit zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Es handle sich um schwere Straftaten, sodass das öffentliche Interesse an der Landesverweisung, nicht zuletzt mit Blick auf die altrechtliche „Zweijahresregel“ entsprechend schwer wiege. Es handle sich um eine Beziehungstat. Es könne nicht von einer Situation gesprochen werden, die sich kaum wiederholen könne. Der Beschwerdegegner habe ein problematisches Frauen- bzw. Weltbild gezeigt, indem er angab, die Geschädigte sei seine Frau und er „dürfe das“ (d.h. den von ihm gewollten sexuellen Kontakt mit ihr).

Anmerkung von Yvonne Thomet: Bei Freiheitsstrafen ab zwei Jahren fährt das Bundesgericht eine harte Linie. Der Beschwerdegegner war in der Schweiz gut integriert und verübte ein einzelnes schweres Delikt. Eine zweite Chance erhielt er nicht. Die Partnerschaft mit einer Schweizerin und zwei gemeinsame Kinder im Vorschulalter schützten ihn nicht vor der Landesverweisung.