Alternierende Obhut kein Regelfall

by | May 7, 2023 | Familienrecht

Gesetz sieht alternierende Obhut nicht als Regelfall vor – Urteil des Bundesgerichts vom 28. März 2023, 5A_800/2022

Umstritten war in dieser Sache, ob die Obhut über ein Kind von nicht verheiratenden, getrenntlebenden Eltern, den Eltern alternierend zustehen soll. Man spricht von alternierender Obhut, wenn der Betreuungsanteil von beiden Eltern bei mindestens 30 bis 35 Prozent liegt. Wohnt das Kind hingegen ganz überwiegend bei einem Elternteil, dann spricht man von alleiniger Obhut.

Vor erster Instanz hatte der Vater die alleinige Obhut über das Kind für sich verlangt, eventualiter die Anordnung der alternierenden Obhut. Die erste Instanz stellte das Kind unter die alleinige Obhut der Mutter. Der Vater wurde berechtigt und verpflichtet erklärt, seinen Sohn wie folgt zu betreuen: Bis Kindergarteneintritt jede zweite Woche von Donnerstag, 17:00 Uhr, bis Sonntag, 20:00 Uhr, und ab Kindergarteneintritt jedes zweite Wochenende von Freitag nach Kindergarten-/Schulschluss bis Sonntag, 20:00 Uhr, sowie während jährlich sechs Wochen in den Schulferien. Das Kantonsgericht bestätigte die Obhutsregelung, passte aber die Betreuungsregelung folgendermassen an: Aus praktischen Gründen wurde die Betreuung an jedem zweiten Freitag (bisher) auf wöchentlich jeden Mittwochmittag ab Schluss des Kindergartens bis Donnerstagmorgen, Kindergartenbeginn, gelegt. Zusätzlich sollte das Kind weiterhin jeden zweiten Freitag bis Sonntag beim Vater verbringen, und zwar von Freitag, 19:00 Uhr, bis Sonntag, 19:00 Uhr. Dem Vater oblag es, das Kind bei der Mutter abzuholen und zu ihr zurückzubringen.

Der Vater verlangte vor Bundesgericht, die Obhut über das Kind sei ihm und der Mutter alternierend zuzuteilen und basierend auf Betreuungsanteilen von je 50% eine Betreuungsregelung zu treffen. Das Bundesgericht wies die Beschwerde des Vaters ab. Es erinnert daran, dass das Gesetz die alternierende Obhut nicht als Regelfall vorsieht. Das Gesetz verpflichte das Gericht bloss dazu, die Möglichkeit dieser Form der Betreuung zu prüfen, wenn ein Elternteil oder das Kind dies verlange (Art. 298 Abs. 2ter ZGB). Der Entscheid über die alternierende Obhut liege im Ermessen der kantonalen Instanz. Das Bundesgericht greife nur ausnahmsweise ein. Vorliegend habe das Kantonsgericht ihr Ermessen nicht bundes­rechts­widrig ausgeübt.

Das Kantonsgericht war zum Schluss gekommen, dass beide Elternteile erziehungsfähig seien. Der Vater wohne in U (LU), die Mutter in Luzern. Die Distanz zwischen den Wohnorten betrage 25 bis 30 Minuten mit dem Auto. Während dem Zusammenleben der Eltern von acht Monaten habe die Mutter das Kind zum grössten Teil betreut. Seit der Trennung habe die Mutter das Kind praktisch allein betreut, abgesehen von den regelmässigen Wochenendbesuchen des Kindes beim Vater. Die Mutter sei somit die Hauptbetreuungsperson des Kindes. Der Vater habe nicht dargelegt, wie er sich den Ablauf der Woche bzw. die Betreuungszeit von 50% vorstelle. Die Betreuung eines Kindes im Kindergartenalter setze Regelmässigkeit, Strukturierung des Tagesablaufs und Planung voraus. Indem der Vater nur darauf hinweise, dass er als Selbständigerwerbender und von zuhause aus arbeiten könne, wann er wolle, genüge nicht. Eine hälftige Betreuung des Kindes komme nicht in Frage. Der Vater habe es verpasst, ein überzeugendes Betreuungskonzept vorzulegen. Zudem habe er nicht darlegen können, warum die Einschulung des Kindes am Wohnort des Vaters besser sein solle als am Wohnort der Mutter.

Kommentar: Der Vater konnte weder das Kantonsgericht noch das Bundesgericht von einem Wechsel der Obhutsregelung überzeugen. Er hatte sich die Sache zu einfach vorgestellt. Das Bundesgericht hatte die alternierende Obhut nie zur Regel erklärt. Der Vater hätte die Chancen für die Anordnung einer alternierenden Obhut durch Verlegung seines Wohnsitzes an den Wohnort des Kindes (seine Erwerbstätigkeit hätte dies zumindest zugelassen) und dem Vorlegen eines Betreuungskonzeptes deutlich erhöhen können.